Der Intarsienschneider Bernd Grawitter

Das Handwerk, das Bernd Grawitter ausübt, hat eine lange Tradition, allerdings nicht in dieser Gegend. So bodenständig die Korbflechterei im alten Fürstenberg ist, so exotisch mutet die Intarsienschneiderei an. In den kleinen Häusern, wie schmuck ihre Besitzer sie halten mögen, vermutet man heute wie damals keinen Intarsienschrank oder intarsientisch. Intarsienmöbel sind kostbar. Man hängt keine Jeans in einen Intarsienschrank und spielt keinen Skat auf einem Intarsientisch, allenfalls Schach, womöglich mit Elfenbeinfiguren. Intarsie ist Dekoration, Repräsentation. Bernd Grawitter weiß, daß dieser Charakter seiner Produkte den Berüf prägt. Die Intarsie hat eine Beziehung zum Schmuck. Sie ist ein Schmuckelement im Raum, ja man kann aus verschiedenfarbigen und - faserigen Hölzern sogar Bilder gestalten. Malerische Wirkungen mit künstlerischem Anspruch sind möglich, und in seinem Arbeitszimmer hängt ein Bild aus Furnierhölzern, das seinen ästhetischen Reiz auf mich nicht verfehlt, aber zugleich in eine andere Landschaft weist. Bernd Grawitter kommt aus Naumburg, hat dort in einer Möbeltischlerei gelernt, der eine Intarsienscheniderei zugehörte. Die etwa 0,6 Millimeter starken Furnierhölzer haben ihn damals schon angezogen und zu Gestaltungen angeregt. Später arbeitete er als Modelltischler in Frankfurt (Oder). Da gab es ebenfalls die Möglichkeit, Intarsien zu schneiden. In einer betrieblichen Arbeitsgemeinschaft konnte Bernd Grawitter seine künstlerische Gestaltungsfähigkeit erproben und weiter ausbilden. So entstanden Repräsentationsgeschenke, auch Wandbilder. Das Bedürfnis selbständig seine Ideen zu entwickeln, wie man die Intarsienschneiderei für die heutige Zeit erschließen könne, die Suche nach einem Gewerberaum für die Bestrebung haben ihn nach Eisenhüttenstadt geführt, wo er beim Rat der Stadt Verständnis und Förderung fand.




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Bernd Grawitter hat sich sehr eingehend mit dem Werdegang der Intarsienschneiderei befaßt, die er als ein Kunsthandwerk versteht, das rund dreitausend Jahre alt ist, Höhepunkte und Niedergänge erlebte, vom Zeitgeschmack beeinflußt wurde und wird und sich vor modischer Extravaganz hüten muß. Zwischen der Intarsie und den Menschen, die ihre Umgebung damit schmücken, sollte eine gefühlsmäßige Beziehung, eine intime heiter-festlichen Ausstrahlgung bestehen. Er geht davon aus, daß eine allgemeine Hebung des materiellen Wohstandes und eine feinere Ausbildung des Geschmacks einen günstigen Boden für sein Gewerbe ergeben. Wenn sich der Friedensprozeß in der Welt durchsetzt, worauf er vertraut, werden mitel und Muße vorhanden sein, das Wohlgefällige an der Intarsienarbeit in geschmackvoll gestateten Wohn- und Gesellschaftsräumen zu genießen. Dafür müssen die handwerklichen und künstlerischen Fertigkeiten ausgebildet sein, es hervorzubringen.




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Zur Intarsie gehört zunächst ein großer Vorrat abgelagerter Furnierhölzer. Bernd Grawitter spricht von einer Sammlung. Sie ist imponierend, und er weist sie mit Stolz vor. Da gibt es Exotenhölzer wie Myrtenmaser, Ahornmaser, Amboinamaser, Mahagoniarten ebenso wie inländische Obstbaum- und Laubhölzer. Von der Struktur, der Farbigkeit, dem Glanz und Schimmer dieser Hölzer gehen ästhetische Reize aus, die der Intarsienschneider empfinden und aufnehmen muß. Sie schwingen mit, wenn er die Formen und Figuren aufzeichnet, die zur Vorlage für das Schneiden werden. Man ikann Furniere aus alten Hölzern schneiden, sagt Bernd Grawitter. Man braucht ein scharfes Messer, eine ruhige, sichere Hand, ein scharfes Auge und die Fähigkeit, jedem Holz mit der gebührenden Kraft zu kommen. Und die wurzelt in der Erfahrung.




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Bernd Grawitter sieht in der Intarsie einen Raum- und Möbelschmuck, weniger ein Bild, obwohl heute mehr Bildwerke aus Intarsien gestaltet werden. Er lernt durch das Nachempfinden historischer Formen, gibt es doch in den Zeiten der Renaissance, des Barock und des Rokoko bewundernswerte Leistungen der Intarsienschneider von Leplat bis Roentgen. Das wichtigste Anliegen ist und bleibt ihm aber, eigene, moderne Formen aus dem heutigen zeitverstündnis heraus zu entwickeln und damit Lebensfreude widerzuspiegeln. Die kulturschöpferische Kraft, die in seltenen Handwerksberufen wie in der Intarsienschneiderei stecke, gibt ihenen ein Lebensrecht in der sozialistischen Gesellschaft, meint Bernd Grawitter. Sein Engagement für die Intarsienschneiderei läßt ihn immer wieder Lehrlinge ausbilden. Bisher wurde seine Lehre stets zu einer Durchgangsstation zur Hochschule für industrielle Formgestaltung Halle. Das spricht sicher nicht gegen die handwerkliche und sehr für die künstlerische Ausbildung, die Bernd Grawitter vermittelt. Trotzdem wünschte er sich, mehr künstlerische und hadwerkliche Potenzen blieben an seiner Seite. Doch auch mit seinen fünf Mitarbeitern beteiligt er sich an »Handwerkerstraßen« bei Volksfesten und auf Märkten, um mit der natürlichen Schönheit der Hölzer etwas von der Freude weiterzugeben, die er durch die Intarsie empfindet.




Seltenes Handwerk, Albrecht Börner/Roger Melis, Verlag der Nation Berlin, 1990, Seite 194 ff.